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Saisonabschluss Kilometre Vertical de Fully

22.10.2012

100 Meter bis zum Ziel. Die Arme brennen, die Oberschenkel sind sauer und schwabbelig, die Waden hart wie Stein. Mein Blickfeld ist stark eingeschränkt. Ich sehe die beiden Schienen und scanne den Boden vor meinen Füssen nach geeigneten Abstossmöglichkeiten ab. Immer wieder rutsche ich aus und bin froh, dass ich mich auf meine Stöcke abstützen kann. Doch auch die Stöcke finden nicht immer Halt. Jetzt bin ich von tobenden Zuschauern umgeben, trotzdem habe ich das Gefühl dass die Rufe von weit weg kommen. Vereinzelt höre ich: „Allez Simon, hopp, gogogo“. Ich rede mir ein, dass es nicht mehr weit ist und versuche das Tempo zu steigern. Doppelstock, drei Schritte rennen, Stöcke raus und nach vorne, zwei Schritte laufen. Ich schaue nach oben und sehe endlich die Zielfahne.

Als Saisonabschluss habe ich mir einen einmaligen Laufwettkampf, den Kilometre Vertical, ausgesucht. An diesem Wettkampf bewältigt man tausend Höhenmeter, welche auf nur 1.8 Kilometer verteilt sind. Das internationale Teilnehmerfeld umfasst 600 Athleten, welche vorwiegend Skitourenrennen machen. Aufgrund des extremen Gefälles starten viele Leute mit Stöcken.

Ich habe mich mit zahlreichen Hügelintervallen, vorwiegend ohne Stöcke, vorbereitet. Als ich jedoch in Fully ankam, sank mein Selbstvertrauen. Einerseits war es extrem eindrücklich die schier senkrechte Wettkampfstrecke zu erblicken, andererseits sahen die Athleten extrem durch-trainiert und sehr schnell aus. Einige hatten irgendwelche komischen Netze um die Waden, bei anderen waren sie so ausgeprägt und strukturiert, dass ich nur staunen konnte.

Der Einzelstart wurde im 20 Sekunden Intervall durchgeführt. Bei der Anmeldung hatte man seine geschätzte Zeit angeben müssen, aufgrund derer man eingeteilt worden war. Die schnellsten durften am Schluss starten – meine Startzeit war sehr spät. Das Starttempo der Läufer war enorm hoch.

Mit einem mulmigen Gefühl zog ich mich um und wärmte mich auf. Achtete aber darauf, meine Kräfte nicht zu verpuffen. Ich begab mich ins Startgatter und musterte die Läufer um mich herum. Rockmusik und Speakergerede liessen die Motivation nach oben schnellen. Auf den ersten Metern war es noch relativ flach. Bei einem hohen Lauftempo behindern die Stöcke, deshalb hielt ich sie in der Mitte fest und gebrauchte sie nicht. Bald wurde es sehr steil. Ich schlaufte meine Hände ein und lief im diagonal-Stil nach oben. An den aller steilsten Passagen wechselte ich auf Doppelstock.

Der Wettkampf verlief ungefähr nach Zeitplan, denn ich passierte die 200-Meter Marke in 6.5 Minuten. Zwar konnte ich das Tempo bis ins Ziel nicht ganz durchziehen, doch mit 34 Minuten, 20 Sekunden bin ich mehr als zufrieden.

Überschüttet von Glückshormonen genoss ich die Aussicht. Unterhalb von mir, in der Mitte des Tales, flog ein Sportflugzeug und ganz weit unten sah man das Startgelände. Es war sehr eindrücklich zu sehen wie hoch tausend Meter wirklich waren und in welcher Zeit man sie bezwingen konnte! Die Zielverpflegung umfasste Brot, Käse, Äpfel, Cola und Wein. Ich begnügte mich mit den vier erst genannten, denn als Zückerchen durfte man auf anderem Wege wieder nach unten laufen.

Ich hatte sehr viel Spass am Kilometre Vertical und kann den Wettkampf allen Bergläufern weiterempfehlen. Ein unvergleichbares Abenteuer!

Jetzt geniesse ich erstmals die verdiente Trainingspause und starte dann in drei Wochen mit dem Aufbau für die nächste Saison.

Simon Brändli

 

Rangliste: http://www.teamlatrace.ch/km/images/stories/doc/ResultatsKM%20_Vertical_2012.pdf

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