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Nach dem Übertraining die Sensation

14.09.2019

Der ganze Frühling bis weit in den Sommer war für mich eine schwierige Zeit. Ich erholte mich schlecht von den Trainings, war schnell gereizt und mit der Zeit fehlte auch die Motivation in Trainings und Wettkämpfen. Unser Verbandsarzt diagnostizierte ein Übertraining, doch ich wollte es lange nicht glauben. Das heisst nicht, dass ich seine Empfehlungen nicht konsequent umgesetzt hätte. Ich konnte mir nur nicht vorstellen ins Übertraining hineingerutscht zu sein, da ich im Frühling nicht aussergewöhnlich viel trainierte oder bei der Arbeit aussergewöhnlich stark belastet war. Auch fand ich es unwahrscheinlich, dass nach mehreren Wochen Ruhe noch keine signifikante Verbesserung aufgetreten war.

Die ersten Zeichen traten 5 Wochen nach dem Cape Epic auf. Da war ich am Dienstag nicht genug erholt fürs Intervall und fühlte mich am Wochenende, vor allem am Sonntag bei einer Bike-OL Mitteldistanz im Schneeregen, total leer. Darauf legte ich eine erste Woche Pause ein und strich auch die Teilnahme am UCI-Marathon im Hegau. Danach lief das Training vermeintlich normal, ich merkte kaum, dass ich etwas mehr Schlaf benötigte und mich ein bisschen weniger gut erholt fühlte. Erst als ich bis Donnerstag brauchte, um mich von einem Bike-OL Weekend zu erholen und mir das 5x4' Intervall in den 3 folgenden Tagen Säure bescherte, realisierte ich, dass etwas nicht normal war.

Die Abklärungen beim Verbandsarzt zeigten keine Erkrankung, doch ich wies die Symptome von Übertraining auf. Zu diesem Zeitpunkt blieben nur noch 2 Wochen, um mich für die Europameisterschaften vorzubereiten. Ich reduzierte das Training und die Intensität drastisch und sank dadurch nicht tiefer ins Loch. An den Europameisterschaften waren alle Wettkämpfe extrem kurz waren, trotzdem brauchten sie mich wie 3 aufeinanderfolgende Langdistanzen. Nach jedem Einsatz legte ich mich für einen Powernap am Nachmittag hin und an den Abenden ging ich super früh zu Bett. Zwei trainingsfreie Wochen, eine sehr lockere und eine Ferienwoche, wo ich hauptsächlich bergab fuhr, führten kaum zu besserem Befinden, daher glaubte ich langsam nicht mehr an die Übertrainings-Diagnose. Ich vermutete eher eine Wurm-Erkrankung oder einen langwierigen Infekt wie das Pfeiffersche Drüsenfieber. Während den drei Wochen bis zur Bike-OL-WM musste immer genau aufpassen, dass ich nicht zu intensiv oder zu lange trainierte. Als schliesslich die WM vor der Tür stand, freute ich mich mehr auf die Zeit danach endlich lange Biketouren zu machen als auf die Wettkämpfe selber, die dann erstaunlich gut liefen.

Nach dem schwierigen Frühjahr steckte ich meine Medaillen-Ambitionen auf Top 10 Plätze zurück. Im Sprint gabs ein Diplom, im Middle und Massenstart fuhr ich auf den 8. Rang. Etwas enttäuscht war ich vom Resultat der Langdistanz. Eine solide Leistung führte zu 6:08 Rückstand, was jedoch nur zu Platz 20 reichte. Zum Vergleich 2017 in Litauen und 2016 in Portugal hätte dieser Rückstand zu einem 9. Platz geführt. Die noch grössere Enttäuschung folgte in der Staffel, wo ich auf der Startstrecke einen falschen Posten stempelte. Ich war alleine unterwegs und hatte das Gefühl alles unter Kontrolle zu haben. Es standen zwei Posten am selben Weg ziemlich nahe beieinander. Ich stempelte den ersten und fokussierte mich auf die nächste Teilstrecke. Dass kurz darauf ein weiterer Posten am Wegrand stand bemerkte ich leider nicht.

Rückblickend traure ich etwas meinen verpassten Chancen im Sprint nach, wo ich trotz grossem Fehler zu Posten 20 bei Posten 22 noch auf Medaillenkurs lag. Ich bin jedoch auch stolz, was ich mit der schwierigen Ausgangslage erreicht habe. Wer einmal an einem anspruchsvollen Bike-OL gestartet ist, weiss wie schwierig es ist eine technisch perfekte Leistung abzuliefern. Dies kann nicht meine Erwartungshaltung sein.

Nach der WM folgte die langersehnte Zeit, in der ich mich nur nach Lust und Laune bewegte. Das hiess lange Bike-Touren am Wochenende und kaum Sport während der Woche. Nach 3 Wochen war ich endlich richtig erholt. In den Nächten konnte ich normal schlafen, am morgen fühlte ich mich ausgeschlafen. Ich war weniger mürrisch und wieder fröhlicher. Zusammenfassend war der Umgang mit dem Übertraining aufgrund folgender Punkte extrem schwierig:

  • es ist klinisch nicht fassbar. Der Körper ist scheinbar fit, man hat ausschliesslich einige Symptome, die auf Übertraining hinweisen.
  • es ist ein Teufelskreis. Aufgrund des Übertrainings schläft man schlecht und ist daher noch schlechter erholt als normal.
  • man ist völlig im ungewissen, wie lange es geht bis der Körper wieder in den Normalmodus findet.
  • Beginn und Ende verlaufen schleichend
  • die Summe von physischer und psychischer Belastung führt nur zu einer Wahrscheinlichkeit ins Übertraining zu rutschen.

Was ich damit meine ist, dass nicht jedes Mal die gleiche physische und psychische Belastung zu einem Übertraining führen würde. Ich bin ziemlich sicher, dass im 2018 dieses Pensum nicht zum Übertraining geführt hätte, da ich damals ähnlich hart trainiert hatte und mit dem Arbeitsbeginn bei Mettler Toledo zu Beginn auch psychisch gefordert war.

Vom Übertraining habe ich gelernt die Symptome ernst zu nehmen, das Training und die Ziele möglichst schnell zurück zu stecken und geduldig auf Besserung zu warten.

Jetzt war es Zeit wieder ins Training einzusteigen. Nach Trainingswoche 1 unternahm ich mit Miri und Adi eine unvergessliche Bike-Tour aufs 3610 Meter über Meer gelegene Barrhorn. Eine Woche später musste ich das geplante Trailwochenende mit Miri in Davos wegen schlecht Wetter streichen, daher startete ich am O-Tour Bike-Marathon. Es war mein erster Start auf der langen Strecke bei den lizenzierten Elite-Fahrern und ich wusste, dass ein Top 20 Platz die Qualifikation für die Marathon-Weltmeisterschaften bedeuten würde. Anfangs Jahr war dies eines meiner Saisonziele gewesen, doch aufgrund des schwierigen Frühjahrs hatte ich es gestrichen und mich ausschliesslich auf den Bike-OL konzentriert. Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich ins Ziel kam und realisierte, dass ich auf dem 14. Platz gelandet war.

Die Bike-Marathon-Weltmeisterschaften finden am 22.9. in Grächen statt. 182 Athleten sind gemeldet und neben den Marathon Spezialisten werden auch einige Topshots aus der XC Szene angreifen. Darunter sind Matthias Flückiger der frisch gebackene Vizeweltmeister, Ondrej Cink (CZE) und Jordan Sarrou (FRA) die prominentesten Vertreter.

Link Marathon WM:
WM-Vorschau auf ride:

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